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In der ganzen Schweiz und auch in Zürich kommt es in den vergangenen Jahren immer häufiger zu homo- und transphober Gewalt. Das reicht von abschätzenden Bewegungen und Geräuschen, verbalen Beleidigungen, Bespucken, Bedrohen bis hin zu tätlichen Angriffen und physischer Gewalt, teilweise sogar mit Waffen. Jeder einzelne Fall ist tragisch und die Betroffenen benötigen oft eine lange Zeit, um darüber hinwegzukommen.

Und obwohl regelmässig darüber in den Medien berichtet wird, scheint es nach wie vor in weiten Teilen der Bevölkerung nur wenig bekannt zu sein, wie schwierig wenn nicht sogar gefährlich es insbesondere für junge queere Menschen in unserer Gesellschaft sein kann.

Im Februar 2021 führte das Sozialforschungsinstitut Sotomo im Auftrag der Stadt Zürich eine Befragung durch. Ziel war es, Erfahrungen, Erlebnisse sowie Haltungen zum Thema Sexismus der Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher aufzuzeigen. In der Befragung gaben rund drei von vier homo-, bi- oder pansexuellen Menschen an, in der Stadt Zürich schon im öffentlichen Raum belästigt worden zu sein.

> zur Befragung

Hass gegen LGBTQ Menschen ist eine alltägliche Realität auch in unserer Gesellschaft.

Aktueller HATE-Crime Bericht von 2021

Aktueller HATE-Crime Bericht von 2021

Im Jahr 2020 erfasste die LGBT+ Helpline 61 LGBTQ-feindliche Angriffe und Diskriminierungen, dass sind mehr als ein Fall pro Woche und dies trotz CoviD Lockdowns.

Trotz Corona-Massnahmen und der damit eingeschränkten Mobilität blieb die Zahl der Meldungen stabil: Pro Woche wurde mindestens ein Hate Crime gemeldet. Total wurden 61 Fälle gemeldet.

Ca. 85% der Meldenden wurden beleidigt und beschimpft, etwa 18% hatten physische Gewalt erlebt. Das ist ein Rückgang im Vergleich zu den vorherigen Jahren (jeweils ca. ein Drittel erlebte physische Gewalt), der wahrscheinlich auf die Corona-Massnahmen zurückzuführen ist.

Mit Abstand die meisten Fälle wurden aus dem Kanton Zürich gemeldet. Das kann mit der höheren Sichtbarkeit von LGBTQ-Personen in Zürich und einer höheren Bekanntheit der LGBT+ Helpline erklärt werden.

Die wenigsten Hate Crimes werden angezeigt. Von allen gemeldeten Hate Crimes wurden nur knapp 20% der Polizei gemeldet. Wer Anzeige erstattete, erlebte meist eine sachliche Reaktion der Polizei.

Die meisten Hate Crimes fanden auch 2020 im öffentlichen Raum statt. Die Öffentlichkeit hindert die Täter*innen nicht daran, ein Hate Crime zu begehen.

Betroffen sind vor allem junge Menschen. Die meisten der Meldenden sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. Wie hoch die Dunkelziffer bei noch jüngeren ist, lässt sich nur erahnen. » Über die Hälfte der Meldenden gaben an, psychische Folgen vom Vorfall davon getragen zu haben. Dies führt dazu, dass viele LGBTQ-Menschen sich nicht mehr sichtbar als queere Person auf die Strasse trauen.

> Bericht lesen

Körperliche und verbale Übergriffe sind Straftaten. In der Schweiz wurden 2020 wöchentlich Übergriffe auf LGBQIT gemeldet.

Was sind Gewaltstraftaten?

Was sind Gewaltstraftaten?

Begriffe wie Drohung, Beleidigung oder Körperverletzung werden in der Bevölkerung oft anders verstanden, als in der Rechtslehre. Für Strafverfahren sind Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte an die geltenden Gesetze gebunden, was in der Begegnung zwischen Opfern und der Justiz oft zu Missverständnissen führt. Anbei wird erklärt, was die häufigsten Gewaltstraftaten sind und wie die Polizei mit diesen umgeht:

Wenn nicht speziell in einzelnen Artikeln des Strafgesetzbuches geregelt, müssen die Straftaten mit Vorsatz begangen werden. Dabei gibt es Ausnahmen wie die fahrlässige Körperverletzung (Art. 125 StGB). Als Beispiel ist die eine Sachbeschädigung (Art. 144 StGB) nur dann erfüllt, wenn sie mit Vorsatz begangen wird. Sprich: Ein Fussball, welcher ausversehen in ein Fenster fliegt statt des Tors, erfüllt die Vorsatzkriterien nicht. Oder: Beim Tanzen in der Disco erhält man ausversehen von einer wild tanzenden Person einen Ellbogenschlag ins Gesicht, was Nasenbluten erzeugt. Hier kommt allerhöchstens die fahrlässige Körperverletzung zum Zug, jedoch keine vorsätzliche. Wobei auch die Fahrlässigkeit gewisse Kriterien erfüllen muss.

Das Strafgesetzbuch unterscheidet zwischen Antragsdelikten (Art. 30ff StGB) und Offizialdelikten. Bei Offizialdelikten ist die Justiz verpflichtet, den Sachverhalt zu klären, sobald diese Kenntnis davon hat. Hier wird «von Amtes wegen» verfolgt.

Beispiel: Die Polizei wird gerufen, da ein Ladendieb Waren im Wert von CHF 500.- gestohlen hat. Diebstahl ist ein Offizialdelikt, was bedeutet, dass die Polizei den Fall klärt und den Täter oder die Täterin befragt und zuhanden der Staatsanwaltschaft verzeigt.

Hingegen werden Antragsdelikte nur auf Antrag der geschädigten Person verfolgt.

Beispiel: Jemand wird zusammengeschlagen und dabei leicht verletzt. Einfache Körperverletzung (Art. 123 StGB) ist ein Antragsdelikt und wird nur auf Antrag des Opfers verfolgt. Stellt das Opfer keinen Strafantrag, hat die Polizei keine rechtliche Grundlage Leute zu befragen, Ermittlungen zu tätigen oder jemanden zuhanden der Strafverfolgungsbehörden zu verzeigen.

Diese geschädigte Person hat nach bekannt werden der Täterschaft 3 Monate Zeit einen Strafantrag gegen diese zu stellen. Dieser kann bis zum zweitinstanzlichen Urteil zurückgezogen werden.

Wie im letzten Absatz erklärt, ist der Strafantrag bei Antragsdelikten notwendig, um eine Straftat von Seiten Justiz überhaupt verfolgen zu können. Hingegen ist das «Anzeige machen» kein Begriff aus dem Strafrecht, sondern hat sich so eingebürgert. Er bedeutet nichts weiter, als der Polizei auf eine Straftat aufmerksam zu machen, bzw. ihr einen Sachverhalt schildern. Die Polizei ist bei Offizialdelikten verpflichtet, Abklärungen oder Ermittlungen zu tätigen, um die Straftat zu erhärten oder zu widerlegen. Der «Rückzug einer Anzeige», wie es im Volksmund meist heisst, ist gemäss dem Strafprozess nicht möglich. Lediglich der Rückzug eines Strafantrages bei einem Antragsdelikt.

Jede Person kann die nachfolgenden Straftaten zur Anzeige bringen. Ermittlungstechnisch ist es jedoch von Vorteil, wenn bei Straftaten mit Opfern / Geschädigten, diese selbst die Anzeige erstatten. So können die relevanten Befragungen und Formalitäten getätigt werden.

Tätlichkeiten (Art. 126): 1 Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft. 

Beispiele für diese Straftat sind das Spucken ins Gesicht, die Ohrfeige, das Reissen an den Haaren, welche keine oder nur sehr kleine Verletzungen wie leichte Kratzer hinterlassen. Hier ist ein Strafantrag des Opfers nötig. 

Einfache Körperverletzung (Art. 123 StGB): Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 

Beispiele für diese Straftat sind das brechen der Nase durch einen Faustschlag, grosses Hämatom am Auge, grössere Riss- oder Quetschwunden. Auch hier ist der Antrag des Opfers nötig. 

Angriff (Art. 134 StGB): Wer sich an einem Angriff auf einen oder mehrere Menschen beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Angegriffenen oder eines Dritten zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. 

Wird man von einer Gruppe von 2 oder mehr Personen angegriffen und verletzt, so wird die Straftat von Amtes wegen verfolgt. Dabei muss man nicht von jedem einzelnen der Gruppe angegriffen werden. Für eine Strafbarkeit reicht die aktive Beteiligung am Angriff. Das maximale Strafmass ist mit 5 Jahren hier höher als bei der einfachen Körperverletzung mit max. 3 Jahren. 

Raub (Art. 140 StGB): Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. 

Der Begriff: «Ich wurde ausgeraubt», wird in diesem Zusammenhang meist falsch verwendet. Der Raub ist der Diebstahl mit Gewaltanwendung. Dies ist eigentlich ein Vermögensdelikt, jedoch ist die Gewaltanwendung oder -androhung ein wichtiger Bestandteil dieses Tatbestandes. Wenn eine Waffe oder ein gefährlicher Gegenstand zum Zwecke des Raubes benutzt wird, der Raub in einer Gruppe begangen oder das Opfer einer Lebensgefahr ausgesetzt wird, erhöht sich das Mindeststrafmass (Ziff. 2-4). 

Beispiel: Jemand tritt an eine andere Person heran, schlägt ihr mit der Faust ins Gesicht, so dass diese Person zu Boden fällt. Darauf nimmt die Täterschaft das Portemonnaie des Opfers aus dessen Jacke und entfernt sich. 

Auf schwere Straftaten wie schwere Körperverletzung oder Tötungsdelikte wird hier nicht eingegangen, da bei diesen die Polizei meist sehr früh involviert wird und intensive Ermittlungen geführt werden. 

Drohung (Art. 180 StGB): Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 

Das wichtigste Merkmal in diesem Tatbestand ist «Schrecken oder Angst». Die Drohung muss vom Opfer ernst genommen werden und schwer sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Täterschaft diese ernst gemeint hat. Lediglich das Empfinden es Opfers ist hier ausschlaggebend.  

Beispiel: Ein Kind geht mit einer bunten Spielzeugpistole zu einer grossgewachsenen und erwachsenen Person hin und droht dieser mit Erschiessung. Hier wird keine Angst oder Schrecken erzeugt und die Drohung nicht ernst genommen. Der Tatbestand ist nicht erfüllt. 

Eine Person geht anlässlich eines Streits zu einer anderen Person hin, hält dieser ein Messer an den Hals und droht, diese umzubringen. Hier wird durch das Messer und die Geste Angst erzeugt und die Drohung wird ernst genommen. Hier ist der Tatbestand erfüllt.

Der neu auf «sexuelle Orientierung» erweiterte Diskriminierungstatbestand (Art. 261bis StGB / ehemals Rassismus-Artikel) stellt die öffentliche Diffamierung einer Gruppe oder den Aufruf zum Hass, z.B. gegen Schwule und Lesben, unter Strafe. Beleidigungen oder Drohungen direkt gegen eine Person gerichtet, wird in den Ehrverletzungsartikeln geregelt (nächstes Kapitel). 

Beispiel: Ein Politiker äussert in der Öffentlichkeit, dass «bei allen Schwulen die Hirnlappen verkehrt laufen». Dieser Politiker könnte sich durch diese neu erweiterte Strafnorm strafbar machen. Urteile hierzu stehen noch aus. 

Oder: Jemand veröffentlicht einen Facebook-Post, bei welchem zum «Niederprügeln von Lesben» aufgerufen wird, macht sich unter anderem unter diesem Titel strafbar. 

Jede Person kann solche öffentlichen Äusserungen zur Anzeige bringen. Hier handelt es sich um ein Offizialdelikt, welches von Amtes wegen verfolgt werden muss. 

Vielfach werden bei Gewaltstraftaten auch Beleidigungen ausgesprochen. Die Ehrverletzungstatbestände (Art. 173ff StGB) stellen direkte verbale Angriffe gegen eine Person unter Strafe.  

Üble Nachrede (Art. 173 StGB): Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bestraft. 

Das ist die klassische Rufschädigung durch Verbreiten von unwahren und rufschädigenden Aussagen über eine Person.  

Beispiel: Jemand verbreitet über seinen ehemaligen Arbeitgeber, in diesem Beispiel ein Restaurant, dass der Chefkoch mit abgelaufenen Lebensmitteln koche und jeweils in die Suppe spucke. 

Beschimpfung (Art. 177 StGB): 1Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft. 

Beispiel: Auf offener Strasse «scheiss Schwuchtel» genannt zu werden  

Oder: In der Firma hängt jemand ein Plakat mit dem Gesicht einer Transperson und dem Text «scheiss Transe» auf. 

Die Gerichte schauen sich in jedem Fall die genauen Umstände der Straftat und das Verschulden des Täters an (Art. 47ff StGB). Das Motiv des Täters oder der Täterin stellt einen wichtigen Bestandteil der Strafzumessung dar. Handelt die Täterschaft beispielsweise aus einem Vorurteil gegen Transpersonen heraus, so wird die Strafe entsprechend erhöht. 

Beispiel: Jemand macht kurz vor dem tätlichen Angriff auf eine lesbische Frau eine beleidigende Aussage, welche darauf schliessen lässt, dass das Motiv der Hass gegen Lesben ist.